Am 12. September 2019 überraschte uns dann die Verbandsgemeinde Bad Hönningen mit der schriftlichen Mitteilung, dass ihrer Rechtsauffassung nach Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nicht zulässig seien. Grund: Es seien nicht nur kommunale Flächen sondern auch Flächen der Bundesrepublik Deutschland betroffen (Teile der Wiese und der Straße) – sogenanntes „Zubehör zur Bundeswasserstraße“ Rhein – Bürgerbegehren und Bürgerentscheide seien jedoch nur gegen Planungen kommunaler Flächen möglich (sofern die Planungen nicht im Rahmen eines Bebauungsplans oder Planfeststellungsverfahrens stattfänden). Eine Rechtsauffassung, die die Bürgerinitiative umgehend zurückwies – gegen eine Ablehnung des Bürgerentscheids kündigten wir vorsorglich juristische Schritte an.

Der am 26. Mai 2019 überraschend gegen die CDU-Kandidatin ins Amt gewählte neue Bürgermeister Heinz-Willi Heisterkamp (SPD) – auch von vielen BI-Mitgliedern mit ihrer Stimme unterstützt – machte nach dem Schreiben aus Bad Hönningen sofort klar, einen Rechtsstreit vermeiden zu wollen. Im Zuge von Güteverhandlungen wurde deshalb auf Vorschlag der BI der Kompromiss gefunden, die Frage der Zulässigkeit des Bürgerentscheids für zunächst ein Jahr ruhen zu lassen. In der Zwischenzeit sollte von einer „Projektgruppe Rheinvorland“ (beteiligt: Vertreter von CDU, SPD, Anwohnern der Rheinstraße, BI, Gemeindeverwaltung), gemeinsam mit Experten, nach sinnvollen Alternativen für einen effizienten Hochwasserschutz gesucht werden. Alternativen, die das Natur- und Kultur-Erbe unserer Heimat für die heute Lebenden und ihre Nachkommen erhalten und nachhaltig schützen sollen. Und bei denen die einzigartigen Leutesdorfer Rheinanlagen in ihrer heutigen Form nicht angegriffen werden, für die keine Bäume gefällt werden müssen und durch die unsere historische Rheinfront nicht weiter beschädigt wird.

 Das Moratorium für die Frage des Bürgerentscheids sowie die Gründung der Projektgruppe wurden in der Gemeinderatssitzung vom 14.10.19 förmlich beschlossen und durch Unterschriften von Mitgliedern der Verwaltung und der BI bestätigt.

Ab Ende Oktober 2019 arbeitete die Projektgruppe in zunächst vier Sitzungen an Lösungsalternativen zur Hochwasserschutzfrage und es wurde die erste von drei vereinbarten Einwohnerversammlungen (beschlossen in der Sitzung vom 28.10.19) vorbereitet (siehe auch Protokolle im Bereich Aktuelles / Archiv dieser Website). Im Frühjahr 2020 geriet die Arbeit der Projektgruppe ins Stocken. Bürgermeister Heisterkamp hielt es seiner Aussage nach nicht für angebracht, die Projektgruppe einzuberufen und die erste der drei vereinbarten Einwohnerversammlungen schlussendlich vorzubereiten bzw. terminlich der Bevölkerung anzukündigen, da noch kein dreidimensionales Modell von der Planung der Behörde SGD Nord existiere (vorhanden ist bis heute nur ein zweidimensionaler, allein Experten verständlicher Plan).

Die Grundidee der SGD-Nord-Planung (Höherlegung der Rheinstraße, Absenkung der Rheinwiese) unterstützten einige Mitglieder der Projektgruppe, die BI lehnte und lehnt sie weiterhin ab (auch nach Auskunft der SGD Nord kein effizienter Hochwasserschutz für Leutesdorf, stattdessen kurz- und mittelfristige Verschlechterung der Gesamtsituation durch Wegfall des „natürlichen Deichs“ erhöhte Rheinwiese – siehe Protokolle im Bereich „Aktuelles / Archiv“ dieser Website). Laut Heisterkamp habe die SGD Nord mitgeteilt, ein allgemein verständliches, dreidimensionales Modell ihrer Planung (das angeblich über 20.000 Euro kosten würde) erst finanzieren zu wollen, wenn in Leutesdorf VORHER eine Entscheidung  PRO Absenkung der Rheinwiese und Erhöhung der Rheinstraße getroffen worden sei.

Die BI brachte dieser Aussage gegenüber ihr Unverständnis zum Ausdruck, da das Modell ja gerade eine der wesentlichen Grundlagen für die Bewertung PRO oder CONTRA Maßnahme durch die BürgerInnnen von Leutesdorf sein sollte. Der Vorschlag der BI, mit ArchitekturstudentInnen ein preisgünstiges Modell zu entwickeln, fand beim Bürgermeister keinen Anklang. Und es hieß auch, die SGD Nord habe dem zuständigen Planungsbüro Porz & Partner ein Treffen mit der Projektgruppe ohne Beteiligung der SGD Nord untersagt (auch Ziel dieses Treffens wäre gewesen, ein preisgünstiges Modell zu entwickeln). Zu einem gemeinsamen Treffen von Projektgruppe und Behörde mit Porz & Partner kam es nicht. 

Stattdessen wurde Mitte August 2020 gerüchteweise bekannt, dass eine Gruppe von Gemeinderatsmitgliedern der CDU und der SPD einen Gemeinderatsbeschluss erzwingen wolle, mit dem Einwohnerversammlungen und Bürgerentscheid verhindert werden sollten. Anschließend solle die Gemeinde die noch nicht in ihrem Besitz befindlichen Teile der Rheinstraße – das bisherige „Zubehör zur Bundeswasserstraße“ – vom Bund erwerben und für die dann zweifellos in kommunalem Besitz befindliche Immobilie einen Bebauungsplan erstellen. Grundlage für diesen Plan solle – ohne Einwohnerversammlungen und Bürgerentscheid –  tatsächlich die Höherlegung der Rheinstraße sowie die Tieferlegung der Rheinwiese sein, ganz oder teilweise nach den Vorstellungen der SGD Nord im Rahmen des Programms „Blaus plus“ (Vergrößerung der Ausbreitungsflächen für den Rhein in Leutesdorf, siehe Protokolle im Bereich „Aktuelles / Archiv“). Grund für diese überraschende Aktivität: Gegen Bebauungspläne sind in Rheinland-Pfalz Bürgerbegehren und Bürgerentscheide nicht zulässig. Und durch die Verknüpfung mit „Blau plus“ erhoffe sich der Gemeinderat umfangreiche Fördergelder – obwohl die kurz- und mittelfristige Gefährdung Leutesdorfs durch extreme Hochwasserereignisse bei „Blaus plus“ erhöht würde (Wegfall der erhöhten Rheinwiese als natürlicher Deich).

In der Hauptausschuss Sitzung vom 7. September 2020 kündigte Bürgermeister Heinz-Willi Heisterkamp (SPD) tatsächlich an – gestützt offensichtlich von einer Mehrheit der anwesenden Hauptausschuss-Mitglieder von CDU und SPD (nach nichtöffentlicher Sitzung, daher besitzen wir keine Kenntnis des genauen Abstimmungsergebnisses), dass der Gemeinderat ohne vorherige Rücksprache mit Bürgerinitiative und Projektgruppe die Absicht verfolge, den Bürgerentscheid nicht zuzulassen. Dies solle in der für den 21. September 2020 geplanten Gemeinderatssitzung beschlossen werden. Ebenfalls wurde das Gerücht bestätigt, dass die Gemeinde die Rheinstraße erwerben wolle.

„Wir Leutesdorfer: Rettet die Rheinanlagen!“ wertete dies als eklatanten Vertrauensbruch und provokativen Verstoß gegen die am 14.10.19 und in der Folge getroffenen gemeinsamen Vereinbarungen von Bürgermeister, CDU, SPD, Anwohnern und Bürgerinitiative. Es ist der erklärte Wille eines großen Teils der Bevölkerung (28 Prozent der Wahlberechtigten gaben dafür ihre Unterschrift), an der Planung der Rheinanlagen mittels Einwohnerversammlungen und eines Bürgerentscheids direkt-demokratisch teilnehmen zu wollen.

Mit fast allen Stimmen von CDU und SPD lehnte am Abend des 21. September 2020 der Gemeinderat von Leutesdorf den von der Bürgerinitiative geforderten Bürgerentscheid tatsächlich ab. Einzig Gemeinderat Heino Behrens (SPD) stimmte für die Zulassung des Bürgerentscheids; Bürgermeister Heinz-Willi Heisterkamp (SPD) enthielt sich der Stimme. Damit kann die Behörde SGD Nord jetzt ungehindert ihr Programm „Blau plus“ in Leutesdorf umsetzen. Der Gemeinderat begründete seine Entscheidung zunächst nicht. Es gilt aber als sicher, dass das Gremium sich im Gegenzug von der SGD Nord umfangreiche Fördermittel für die Sanierung der an die Wiese angrenzenden Rheinstraße sowie des Spazierwegs „Platanenallee“ erhofft. Die Bürgerinitiative prüft Rechtsmittel gegen die Entscheidung.

Wir fordern weiterhin die Wiedereinsetzung der Projektgruppe Rheinvorland, außerdem wie geplant die Einberufung einer Einwohnerversammlung nach § 16 GemO sowie anschließend die Durchführung eines Bürgerentscheids nach § 17a GemO.“